Flötenzeit (German Edition) by Nikola Hotel

Flötenzeit (German Edition) by Nikola Hotel

Autor:Nikola Hotel [Hotel, Nikola]
Die sprache: deu
Format: epub
veröffentlicht: 2015-03-04T00:00:00+00:00


lass Dir für Deine Zeilen danken und auch die Photographien von Zuhaus! Ich bin froh zu wissen, dass Mutter wieder genesen ist und Leo ihr so gute Dienste tun konnte. Schick ihr und Vater meine besten Grüße und vergiss unsere Großmutter nicht!

Die Marokko-Bilder sind nicht alle für das Institut bestimmt, ich werde sie sortieren, sobald ich zurück bin. Wie lange das dauert, vermag ich noch nicht zu sagen. Inzwischen habe ich die ganze Insel schon mehrmals umrundet und wirklich jeden Berg bestiegen. Vergangene Woche war ich auf Hierro, ich berichte Dir in einem der nächsten Schreiben davon.

Mit Oskar teile ich mir in San Sebastian ein gemütliches Schlafzimmer mit Blick auf den Hof. Ich habe mich sehr an den kleinen Kerl gewöhnt und kann mir gar nicht vorstellen, wie ich demnächst auf ihn verzichten soll. Er entwickelt sich zum Forscher, trägt immer eine Botanisierbüchse bei sich und kontrolliert, ob Netze, Beil, Scheren und Lineale am richtigen Platze sind. Allein gestern hat er sieben verschiedene Spinnenarten erbeutet und sie an der Kalkwand über seinem Bette aufgespießt. (Zoropsis rufipes, Oecobius navus, Dysdera crocota, Cyrtophora citricola, Tegenaria pagana, ein junges Exemplar einer unbestimmbaren Salticide und ein Männchen von Menemerus semilimbatus – ich verzichte Dir zuliebe darauf, sie photographisch festzuhalten, weise nur daraufhin, dass mir ihr Anblick das Einschlafen keineswegs versüßt.)

Draußen ragen die Palmen über die Mauer und wir holen das Wasser zu unserem täglichen Gebrauch aus einer eigenen Zisterne. Mit Opitz verstehe ich mich prächtig. Er ist ein geradezu besessener Forscher, der, wenn er nicht jeden Stein nach einem Kriechtier umdreht, seinen Kopf über das Mikroskop beugt oder gänzlich in Neumayers »Anleitung zu wissenschaftlichen Beobachtungen auf Reisen« verschwindet. Das Werk leistet auch mir gute Dienste.

Inzwischen haben wir unsere Vorräte an Gläsern wieder aufgefüllt. In der zweiten Kiste, die mit einem der Frachtdampfer ankam, war nicht ein einzig heiles Exemplar. Nun horten wir Vorräte an Holzwolle, damit unsere Arbeit nicht umsonst ist. Schärer hat sich übrigens nach Palma verabschiedet. Wir haben einen letzten Kaffee zusammen bei Don Pablo getrunken und ohne große Rührseligkeit Adieu gesagt, da ich ohnehin brieflich mit ihm in Kontakt bleibe. Nächste Woche will er schon in Montpellier sein und sehen, was aus seinen Pflanzen geworden ist, die er dem dortigen Konservator anvertraut hat.

Ein Geologe aus Casablanca hat mich angeschrieben und sich nach Vorkommen von Obsidian erkundigt. Opitz hat tatsächlich Steine davon gefunden, die von den Ureinwohnern vermutlich als Werkzeug gebraucht wurden. Er ist sich aber sicher, dass es von Tenerife stammt und über den Seeweg eingeführt wurde, sodass auch diese Forschung brachliegt.

Seitdem Fräulein Opitz hier ist, haben wir vor den Einheimischen keine Ruhe mehr. Sie bewachen jeden ihrer Schritte und ich habe Mitleid mit ihr, denn so manches Mal ist sie von einem Ausflug hastig nach Hause gelaufen, weil man sie so bedrängte. Opitz hat sich beim Bürgermeister beschwert, was aber nur kurzfristig Wirkung erzielte. Sie trägt es trotzdem mit Fassung und zeigt sich wenig empfindlich, besteigt Berge, sammelt Steine auf und dient ihrem Vater in vielerlei Hinsicht. (Opitz hat mir erzählt, dass sie sich in Marokko sogar mit vierzig Grad Fieber auf dem Pferde hielt.



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